Sunday, January 22, 2017
Berlin Breitscheidplatz: die unsichtbaren Opfer
Bei dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz sollen 12 Menschen ums Leben gekommen sein. Die Zahl der Schwerverletzten wurde anfangs mit 18 angegeben, noch drei Wochen später wurde von 11 Personen berichtet, die schwer verletzt in Kliniken lagen. Es soll 30 bis 40 Leichtverletzte gegeben haben.
Der Umgang der Behörden mit den Opfern, vor allem mit den verstorbenen, hat viel Kritik hervorgerufen. Ihre Identität wurde bis auf Ausnahmen nicht veröffentlicht, es fand keine angemessene Trauerfeier statt, und die Abfindung für die Angehörigen sei viel zu niedrig, hiess es. Vieles bleibt merkwürdig oder im Dunklen.
Ein grosses Rätsel wurde von Politikern und Publizisten dabei noch nicht thematisiert: auf Foto- und Videoaufnahmen scheinen deutlich weniger Menschen Opfer des LKWs geworden zu sein als die offiziellen Zahlen glauben lassen. Die Übersichtlichkeit des Tatorts lädt dazu ein, dieser Frage einmal genauer nachzugehen. Die Evidenzlage ist zwar knapp, reicht aber glücklicherweise aus, um Tatort samt Opfern grob skizzieren zu können. Es gibt drei authentische Quellen:
- ein Foto eines RussiaToday-Reporters (Titel-Foto)
- das Video von Jan Hollitzer von der Berliner Morgenpost (Hollitzer-Video)
- ein Video von offenbar arabischen Passanten, das einen Tag später ins Netz gestellt wurde (arabisches Video)
Das Hollitzer-Video ist chronologisch das letzte. Das erkennt man daran, dass um 0:45 eine Latte auf ein auffälliges weisses Trümmerstück auf dem Boden geworfen wird. Dieses Trümmerstück ist auch auf dem RT-Foto (im Hintergrund) und im arabischen Video zu sehen - bevor die Latte darauf zu liegen kommt. Ausserdem hört man im Hollitzer-Video schon ganz am Anfang Polizeisirenen; im arabischen Video setzen die erst im späteren Verlauf leise ein.
Das Hollitzer-Video beginnt etwa vier bis fünf Minuten nach dem Anschlag. Das heisst, dass alle drei Beweisstücke innerhalb der ersten sechs Minuten entstanden und somit eine hohe Authentizität für sich in Anspruch nehmen können. Die Bildqualität der Videos lässt zu wünschen übrig, trotzdem lassen sich die Positionen der Opfer gut genug rekonstruieren. Foto und Videos bestätigen sich gegenseitig - viele Personen sind auf zwei oder allen drei Aufnahmen abgebildet.
Während Hollitzer der Fahrtrichtung des LKW folgt, laufen die arabischen Videomacher in Gegenrichtung durch die Gasse. Das RT-Foto ist nahe der Einfahrtstelle aufgenommen und deckt immerhin die erste Hälfte der verwüsteten Strecke gut ab.
Wie erkennt man nun eine möglicherweise schwerverletzte oder verstorbene Person auf den Aufnahmen? Das sind natürlich erst einmal die, die man auf dem Boden liegen sieht. Manche Verletzte sind aber durch hockende oder knieende Helfer verdeckt. Hockende oder knieende Menschen sind also ein "Anzeiger" für einen Verletzten. Auf Basis dieser Kriterien lässt sich ein Diagramm erstellen, das erstaunlich wenig schwerverletzte oder tote Opfer zeigt:
Nach gründlicher Analyse lassen sich neun potentiell Schwerverletzte/Tote identifizieren. Die violetten Ovale symbolisieren diejenigen, die man auf dem RT-Foto ausmachen kann. Auf dem arabischen Video kann man noch drei weitere erkennen, die durch die blauen Ovale symbolisiert sind. Das Hollitzer-Video lässt nur die drei Opfer weiter links erkennen (zwei blaue Ovale, ein violettes).
In Anbetracht der mangelhaften Bildqualität der Videos gibt es möglicherweise noch das ein oder andere zusätzliche Opfer, das von der Grafik nicht erfasst wird. Auch mögen noch zwei oder drei Menschen unter dem LKW gelegen haben. Das alles kann aber die riesige Diskrepanz zu der offiziellen Zahl von 30 Schwerverletzten/Toten nicht erklären. Warum bloss sieht man auf den Aufnahmen so wenige Menschen auf dem Boden liegen?
Das RT-Foto, das Hollitzer-Video und das arabische Video sind Zeitdokumente. Man kann sie ignorieren, aber ihre Echtheit lässt sich nicht bestreiten. Es gibt mit Sicherheit jede Menge private Fotos oder Videos von den Minuten direkt nach dem Anschlag, die den vorliegenden Befund verifizieren und jederzeit auftauchen könnten. Die offiziellen Stellen sind dazu aufgerufen, zu erklären, wie sie zu ihren hohen Opferzahlen gelangt sind.