- oder: was macht die "Ermittlergruppe City"?
Die Geschwindigkeit, mit der der LKW bei seiner Amokfahrt über den Weihnachtsmarkt "raste", war monatelang Gegenstand von Gerüchten und Spekulationen. Zeugenaussagen waren widersprüchlich, Medienberichte ungenau und Ermittlungsbehörden wortkarg. Dann überraschte die ZEIT am 5. April mit detaillierten, auf GPS-Daten gestützten Angaben, die unscheinbar in einen langen Rückblick eingebettet waren:
Um kurz nach 20 Uhr hält er an einer roten Ampel. Als die Ampel auf Grün springt, fährt Amri an. Es ist 20.02 Uhr. Mit rund 15 km/h schiebt sich der LKW auf den Weihnachtsmarkt. 15 km/h sind nicht besonders schnell, doch an diesem Abend auf dem überfüllten Markt genug, um Menschen zu überrollen und Buden niederzureißen.http://www.zeit.de/2017/15/anis-amri-anschlag-berlin-terror-staatsversagen/komplettansicht
Bei dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am 19. Dezember war es offenbar einer technischen Vorrichtung am Lastwagen zu verdanken, dass nicht noch mehr Menschen ums Leben gekommen sind. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR kam der Lkw nur deshalb nach 70 bis 80 Metern zum Stehen, weil die Zugmaschine mit einem automatischen Bremssystem ausgerüstet war. Zu diesem Ergebnis kommt die Ermittlergruppe "City", die unter Leitung des Generalbundesanwalts den Anschlag aufklären soll.http://www.sueddeutsche.de/politik/terroranschlag-lkw-bremssystem-verhinderte-noch-mehr-tote-in-berlin-1.3312551
Das automatische Bremssystem reagiert demnach auf einen Aufprall und betätigt von selbst die Bremsen. "Diese Technik hat Leben gerettet", hieß es in Berliner Regierungskreisen. Wäre der Lastwagen damit noch nicht ausgerüstet gewesen, wären wohl viel mehr Menschen gestorben. Bei einem ähnlichen Anschlag in Nizza am 14. Juli 2016 waren auf der Uferpromenade mehr als 80 Passanten getötet worden.
Der Artikel ist eine Koproduktion der renommierten Journalisten Hans Leyendecker, Georg Mascolo und Nicolas Richter und wurde von der gesamten deutschsprachigen Medienlandschaft zitiert und diskutiert. Die Darstellung (...kam der Lkw nur deshalb nach 70 bis 80 Metern zum Stehen...) insinuiert eine hohe Geschwindigkeit mit einem langen Bremsweg.
Jedoch: Mit 15 km/h hätte der LKW einen Bremsweg von maximal 3 Metern gehabt. Er wäre schon vor der ersten Kollision mit einem Menschen oder einer Bude automatisch abgebremst worden, mithin sehr bald und mitten auf dem Weihnachtsmarkt zum Stehen gekommen. Die Aussagen der beiden Artikel sind schlicht unvereinbar. Experten zweifeln überdies angesichts der Luftaufnahmen vom Tatort an, dass ein automatisches Bremssystem zum Zuge kam.
Die Quelle für den Bericht der Süddeutschen Zeitung war eine beim Generalbundesanwalt angesiedelte "Ermittlergruppe City". Die Gruppe dürfte mit den GPS-Daten ebenso vertraut sein wie die Ermittlerkreise, auf die sich die ZEIT beruft. Dieser offene krasse Widerspruch ruft nach einer Klarstellung seitens des Generalbundesanwalts, des BKA, des LKA Berlin oder einer anderen an den Ermittlungen beteiligten Behörde. Wie schnell war der LKW?
Von der "Ermittlergruppe City" hörte man nach dieser Meldung lange nichts mehr, bis sie just heute als BKA-Sonderkommission mit "hunderten Beamten" wieder ins mediale Rampenlicht trat.
http://www.tagesschau.de/inland/amri-berlin-ermittlungen-101.html